Künstliche Intelligenz und Machine Learning im Tourismus – Zweites Digital Tourism Meetup

Unser Digital Tourism Lab bietet eine Plattform für den Austausch zwischen Kunden und Dienstleistern, zwischen Designern, Konzeptern und Entwicklern, zwischen Produktverantwortlichen, Projektmanagern und allen, die für Tourismus und Mobilität brennen. Gemeinsam möchten wir Lösungen entwickeln für Themen, die die Branche bewegt. Und wir möchten Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer fördern. Ein wichtiger Bestandteil ist die Veranstaltungsreihe Digital Tourism Meetup mit der Möglichkeit zum Austausch von Erkenntnissen und Erfahrungen. Sie gibt Impulse zu relevanten Themen im digitalen Tourismus und inspiriert zu neuen Ideen.

Unser Digital Tourism Meetup ging in die zweite Runde mit Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer zum Thema Künstliche Intelligenz und Machine Learning im Tourismus.

Aus Daten Mehrwerte schaffen mit Hilfe künstlicher Intelligenz

Wenn eine Maschine Aufgaben erfüllt, für die eigentlich menschliche Intelligenz erforderlich ist, spricht man von künstlicher Intelligenz (KI) oder Artificial Intelligence (AI), so Michael Gehring, Data Scientist bei der Alexander Thamm GmbH.

Dabei gibt es die Strong oder General AI, also eine menschenähnliche Maschine, die eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben erledigen kann, bislang nur in Science-Fiction-Romanen und -Filmen. In der Realität sind wir davon noch weit entfernt. Wir kennen stattdessen sogenannte regelbasierte Expertensysteme (z.B. Spam-Filter), die ein komplexes Regelwerk anwenden, das laufend aktualisiert und ergänzt werden kann, und die Weak oder Narrow AI, die auf eine ganz konkrete Aufgabe spezialisiert ist, und auf diesem Gebiet in der Regel menschliche Fähigkeiten deutlich übertrifft. Beispiel: Schach-Computer.

Wie können nun Maschinen lernen? Das Vorbild ist das menschliche Gehirn: Mit Hilfe von großen Datenmengen werden Machine Learning Systeme, wie z.B. Neuronale Netze trainiert. Ebenso wie Menschen, die neue und unbekannte Eindrücke verarbeiten, sucht auch die Maschine nach Mustern in der Datenvielfalt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Muster einfach oder „logisch“ sind, sondern einzig darauf, dass Trainings-Aufgaben und die zugehörigen Lösungen in das Muster passen. Je mehr Trainings-Daten zur Verfügung stehen, umso besser lernt das System.

Wichtig ist immer, im Vorfeld das Ziel zu kennen, das man mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz erreichen möchte, so Michael Gehring. Etwa, aus einer Vielzahl von Daten den Marktpreis einer Immobilie ermitteln, aus Luftbildern den Schaden einer Naturkatastrophe für ein Versicherungsunternehmen abschätzen oder Online-Kunden so gut passende Empfehlungen geben, dass sie gern zugreifen und wiederkommen.

So sollte jedes KI-Projekt einen Lifecycle durchlaufen, bei dem die Phase der Zieldefinition ebenso wichtig ist wie die Analyse und Vorbereitung der Daten und am Ende die Durchführung und der Test der eigentlichen KI-Aufgabe.

Von der Theorie zur Praxis: Die ADAC Trips-App

Wie finden wir passende Reiseziele?

Benutzer der ADAC Trips-App können ihr persönliches Reiseprofil definieren, indem sie unterschiedliche emotionale Bilder nach links oder rechts aus dem Bildschirm wischen, je nachdem, ob ihnen das Bild zusagt oder nicht:

ADAC-Trips App: https://www.adac.de/produkte/apps/trips/

Das System ermittelt daraus für die Person für jede von 12 Reisemotivklassen einen Wert zwischen 0 und 100. Z.B.

  • Natur erleben: 60
  • Land und Leute kennenlernen: 80
  • Zeit zu zweit: 20

Die Reiseziele (POIs), die in der App zu finden sind, sind nach demselben System klassifiziert. Das Ziel ist, jedem Benutzer möglichst passende Reiseziele anzubieten.

Astrid Rohmfeld, beim ADAC e.V. in der Content-Redaktion verantwortliche Ansprechpartnerin für die KI-Projekte, beschreibt, wie in Zusammenarbeit mit der Alexander Thamm GmbH der intelligente POI-Classifier entwickelt wurde. Das bunt gemischte ADAC-Klasse-Team klassifizierte zunächst 800 POIs manuell. Mit diesem Trainings-Set übte der POI-Classifier. Er interpretiert Titel, Beschreibungstexte, Produktlinien und Attribute der POIs. Beim Training ermittelte er Muster in den Trainingsdaten, die ihm halfen, später auch POIs außerhalb des Trainings-Sets zu klassifizieren. Als nächstes folgten Test-Daten, ebenfalls manuell klassifiziert. Die automatische Bewertung dieser POIs stimmte bereits gut mit der manuellen Bewertung des Expertenteams überein. Der POI-Classifier hat seinen Test damit bestanden und klassifiziert mittlerweile regelmäßig den gesamten POI-Bestand in der Datenbasis des ADAC (der imx.Platform).

Herausforderungen

  • Sowohl die Maschine als auch die Menschen lernen ständig dazu. So geht das Klasse-Team mittlerweile beim manuellen Klassifizieren von Testdaten anders vor als zu Projektbeginn und kommt möglicherweise auch zu anderen Ergebnissen.
  • Der ADAC schließt laufend neue Datenlieferanten an die imx.Platform an. Zum Trainieren des POI-Classifiers gab es hauptsächlich klassische Reiseziele wie Museen, Kirchen und andere Sehenswürdigkeiten. Mittlerweile sind sehr viele POIs mit Fokus auf Wellness, Abenteuer oder Spaß dazu gekommen, mit denen der Classifier noch nicht so intensiv trainieren konnte.

Daher steht in Kürze eine neue Trainingsphase an, diesmal gleich mit 3.000 POIs und später dann auch mit Angeboten und Events.

Faszinierend schildert Astrid Rohmfeld, was weiter in der Trips-App passiert: Steht das Reisemotiv-Profil eines Benutzers fest, so kann das Profil, ebenso wie jeder klassifizierte POI als Punkt in einem 60-dimensionalen Raum interpretiert werden. Die App präsentiert dem Benutzer nun bevorzugt diejenigen POIs, die in diesem 60-dimensionalen Raum in der Nähe seines Profil-Punktes liegen.

Struktur ist die halbe Miete – Der Öffnungszeiten-Parser

In einem zweiten Projekt des ADAC unter Astrid Rohmfeld mit der Alexander Thamm GmbH wird weder trainiert noch gelernt, sondern ein komplexes Regelwerk für den Öffnungszeiten-Parser entwickelt. Ziel:

Das System soll erkennen, wenn in einem Text Öffnungszeiten in irgendeiner Form beschrieben sind und sie dann in eine strukturierte Form überführen.

Input:

Do bis So und an Feiertagen, von 10 bis 18 Uhr im Juli und August sowie von Dezember bis Januar tägl. von 10 bis 18 Uhr

Output:

Daten aus der imx.Platform3

Das Regelwerk beinhaltet:

  • Definition aller Begriffe, die mit Öffnungszeiten zu tun haben, mit allen üblichen Abkürzungen und Varianten in der Schreibweise
  • Klassifizierung der erkannten Begriffe: Über reguläre Ausdrücke werden die Begriffe in Klassen eingeordnet wie Weekdays, Exclusions, linking Words usw.
  • Definition von Umwandlungsregeln, um Öffnungszeiten-Sequenzen zu erzeugen

Obwohl es immer noch Formulierungen gibt, die der Öffnungszeiten-Parser nicht strukturieren kann, ist bereits jetzt eine Zeitersparnis von 92% im Vergleich zum manuellen Strukturieren zu beobachten. Bei der großen Datenmenge in der imx.Platform des ADAC ist die Frage, ob so ein Parser sinnvoll ist, nicht schwer zu beantworten.


Wir danken den Referenten für ihre tollen Vorträge und allen Teilnehmern, dass sie dabei waren! Das nächste Digital Tourism Meetup findet am 24.09.2020 statt. Das Themenfeld lautet diesmal „Smart Data & Data Sciences im Tourismus“. Wer zu diesem Thema einen Vortrag einreichen möchte, ein Projekt vorstellen oder Impulse liefern möchte, sei herzlich dazu eingeladen. Bitte kontaktiert uns über ideas@gradextra.de.

Brigitta Zinsser

Technische Beraterin, Produktmanagerin imx.Platform bei infomax am Standort Grassau

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Brigitta Zinsser

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