EDCH 2018 in München

Vom 8.-10. März 2018 besuchte ich die EDCH Konferenz in München, die „Idea Conference for Editorial Design, Visual Storytelling & Digital Content. Die EDCH – sie kokettiert mit Aussprache und Bedeutung des englischen Wortes „edge“ – findet im Rahmen der Munich Creative Business Week statt und befasst sich mit aktuellen Entwicklungen in der Gestaltung von (überwiegend Print-) Magazinen: Konzepte, Content, Illustration, Infografiken, Fotografie, Typografie. Drei Tage Konferenz mit über 60 Sprechern – vom ZEIT Magazin und Gruner & Jahr über Getty-Fotografen bis hin zu „unpublished magazines“ und Studentenprojekten, moderiert von Boris Kochan, CEO der Münchener Marken- und Designagentur Kochan & Partner. Das Publikum: junge, hippe Designer. Und ich. Meine Motivation: einen profunden und aktuellen Einblick ins Editorial Design zu erhalten, Trends aufzunehmen und in die stetige Weiterentwicklung unseres Magazins gråd extra einfließen zu lassen. Es auf den Prüfstand zu stellen. Und so nutzte ich die Chance, ganz komprimiert eine Vielzahl anderer Magazine mit ihren Konzepten, Entstehungsphasen und Produktionsschritten kennenzulernen.

Aus den zahlreichen vorgestellten Projekten zwischen 10 und 20:30 Uhr habe ich einige herausgegriffen, die ich persönlich inspirierend fand:

  • Paul Willoughby, Creative Director der Londoner Agentur Hüman After All, Herausgeber des Magazins Weapons of reason, lieferte gute Impulse unter anderem zum Thema Covergestaltung. Die Aussage des Covers überdenken, weg vom „Buy me“ mit marktschreierischer Aufmachung zum „Live with me“: Das Magazin soll dazu einladen, mit ihm zu leben: es mit nachhause zu nehmen, es immer wieder zur Hand zu nehmen, als „slow media“ zu verstehen, den Longread-Charakter (also lange Lesestücke mit fundierten, ausführlichen Inhalten) als Gegenpol zu schnellen digitalen Informationen zu betonen. Ein nützlicher Tipp zur Covergestaltung ist das „Postage stamp principle“: Das Cover muss auch dann noch funktionieren, wenn es auf Briefmarkengröße geschrumpft dargestellt wird.

Paul Willoughby @ EDCH 2018

Paul Willoughby, EDCH 2018

  • Andine Müller, Professorin an der HMKW (Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft) Berlin, Journalistin, Art Direktorin: Ihr Postulat „Wir sind Journalisten – Qualitätsjournalismus durch ganzheitliches Editorial Design“ thematisiert die Verantwortung als Redakteur und Herausgeber und appelliert, sich alle publizierten Aussagen und Interpretationen bewusst zu machen und mit dieser Meinungsmacht verantwortlich umzugehen.

Andine Müller, EDCH2018

 

  • Ein Highlight war die Präsentation von Orlando Hölzel, freier Conceptual Illustrator: Er hat mich mit seinem tollen Illustrations-Stil und seiner lässigen Art vorzutragen total überzeugt. Er illustriert u.a. Karten – vielleicht mal ein spannender Kontakt für ein Destinationsprojekt oder auch die gråd extra! Seine zahlreichen Arbeitsbeispiele auf seiner Website und auf Instagram sind einen Blick wert.

Orlando Hoetzel @ EDCH 2018

  • Clara Vuillemin, republik.ch: Mit dem Online-Magazin „Republik“ konnte ich ein total spannendes Schweizer Projekt kennenlernen. Claudia Vuillemin hat mit ihrem Team ein unabhängiges Online-Magazin mit politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Inhalten für die Schweiz aufgebaut, bewusst als Gegenpol zu den etablierten Medien positioniert, komplett werbefrei und ausschließlich durch Leser finanziert. Leitspruch „No show“. Bemerkenswert ist die Herangehensweise an das Projekt: Die Finanzierung erfolgte per crowd funding. Die überwältigende Resonanz auf das Projekt bezeichnete Vuillemin als „schockierend“ – offenbar hatten sie mit dem unabhängigen Magazin den Nerv der Zeit getroffen. Es gibt keinerlei Hierarchien der Produktverantwortlichen (Projektmanagement, IT, Marketing): Alle Entscheidungen und Entwicklungen werden gemeinsam getroffen. Kling mühsam – und das ist es auch: langwierige Diskussionen, die Entscheidungsfindung langsamer als wenn einer am Ende ein Machtwort spricht. Aber die Vorteile überwiegen: es wird „weniger Bullshit“ produziert, es gibt keine „premature decisions“. Durch die collective ownership kann die Verantwortung nicht abgeschoben werden und man sich nicht wegducken: wer das letzte Wort hat, setzt die Entscheidung auch um. Agiles Vorgehen („lieber weniger, dafür richtig“) und Mut, sich Zeit für Diskussionen zu nehmen. Sehr beeindruckende, intelligente Referentin, tolles erfolgreiches Projekt.

Was bringen die Erkenntnisse und Ideen für uns und die gråd extra?

Proof of concept: Ich halte die gråd extra für absolut wettbewerbsfähig. In Erinnerung bleibt mir der Aufruf „No show“ von Clara Vuillemin: So wichtig die Gestaltung auch ist, auf die Inhalte kommt es an, und hier müssen wir unseren Anspruch an erstklassige, lesens- und teilenswerte Inhalte nie aus den Augen verlieren. Wir wollen, dass die gråd extra „mit seinen Lesern lebt“, am besten aus dem Büro mit nachhause genommen wird, um in Ruhe die Inhalte zu lesen. Und ganz konkret: Noch mehr Zeit und Gedanken an die Headlines investieren – auf dem Cover wie auf Artikelebene.

Fazit: Guter Überblick, aber Reduktion und mehr Profil wären hilfreich

Es war eine gute Veranstaltung für einen Überblick zum Thema Editorial Design und ich habe einige interessante Projekte und Designer kennenlernen können. An drei Tagen Programm bis in die Abendstunden war aber auch viel dabei, das für mich persönlich nicht relevant war. Das Format selbst war spätestens am 2. Tag ein sich wiederholendes Vortragen von Projekten – da hätte manchmal etwas Abwechslung und mehr Tiefe gut getan.
Ganz nebenbei nahm ich noch Inspirationen für nächste infomax-Events mit: „Inszenierung ist wichtig“ gemäß DJ Hell – ein Opener mit Wumms: Wiederkehrender Jingle, Sound, Licht, Rauch. Kurzweilige Präsentationen statt endloser Powerpoint-Bullets. Freies WLAN – unbedingt. Genug Essen. Ein Profi-Fotograf vor Ort, der die Stimmung einfängt und fast-live-Bilder in Präsentationen einbaut. Social Media taugliche, teilenswerte Inszenierung.

http://www.edch-conference.com

EDCH 2018

Zusammenfassung eines Konferenztags auf der EDCH 2018 von Sketchnoterin „kleiner W4hnsinn

Christine Pfleger

Unternehmenskommunikation für infomax (freiberuflich)

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Christine Pfleger

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